Freie Pferde – faszinierend, oder?!
Immer wieder sehe ich diese Bilder, ein Reiter auf nacktem Pferderücken, keine Trense, kein Gebiß, nur Reiter und Pferd…. Da gerät man ins Träumen…
Und dann schaue ich dem Pferd ins Gesicht. Uff, da kommt Ernüchterung! Da schaut mich kein freies, glückliches Pferd an. Da sehe ich Stress, Angst, Resignation… Von Freiheit keine Spur. Aber wie kann das sein? Es ist doch frei! Es könnte sich doch wehren, weg laufen, nicht mitmachen.
Oder etwa nicht?
Wir sitzen einem Trugschluss auf.
Wir denken, wenn ein Wesen äußerlich frei ist, so ist es auch innerlich frei. Ein Pferd, das äußerlich frei ist, arbeitet freiwillig mit dem Menschen zusammen. Doch dieser Schluss stimmt leider nicht.
Die Methoden rund ums Pferd haben sich perfektioniert. Wo es früher reichte, ein Pferd reiten zu können (auch wenn es sich mal widersetzte, man im Sand landete, man die Gerte benutze), da will man heute, dass das Pferd einem auch seinen Geist und seine Seele gibt (und sich eben nicht widersetzt). Es reicht nicht, ein Pferd mit einem gewissen Druck zum Reiten zu bewegen. Heute muss es schon mehr sein. Da möchte man das Pferd auch ohne Gebiß reiten, ohne Sattel, am besten ganz nackt. Ohne Kontrollverlust natürlich, man möchte das Pferd perfekt beherrschen (oh, Pardon, natürlich nicht das Pferd, sondern bestimmte Übungen und Lektionen).
Dieses Denken hat zur Folge, dass der Druck auf Pferde keineswegs nur mehr rein körperlich ist. Ganz im Gegenteil. Körperliche Gewalt gegen Pferde ist (zu Recht!) mehr und mehr verpönt. Die neuen Methoden aber, die immer mehr werden und so nette und schöne Namen haben (es geht um Pferdeverständnis, um Fairness, um sanftes Führen usw.), die können dazu führen, dass Pferde brechen. Und sie tun das nicht mehr körperlich, sondern mitsamt Geist und Seele. Sie geben (sich) auf. Sie machen alles mit. Immer brav, immer unter Kontrolle. Äußerlich frei, machen sie jede Übung perfekt, erlauben sich keinen falschen Schritt, reagieren auf Fingerzeig.
Freiheit beginnt im Herzen.
Freiheit für Pferde beginnt im Herzen ihrer Menschen.
In einem Herzen, das spürt, dass man kein Lebewesen brechen darf.
In einem Herzen, das spürt, dass jedes Lebewesen ein Recht auf Unversehrtheit hat.
In einem Herzen, das spürt, dass das Pferd seine Würde hat und Respekt verdient.
Ohne dieses Herz sind die Pferde uns Menschen ausgeliefert. Jede Freiheit müssen wir ihnen zugestehen, ihre eigene ist gänzlich weg. Diese Freiheit werden die Pferde nur bekommen, wenn die Menschen spüren, dass es nicht richtig ist, ein Pferd psychisch oder physisch unter Druck zu setzen, es weitergehend teilweise sogar zu verletzen und zu unterdrücken, nur damit wir es benutzen können.
Freiheit beginnt im Herzen.
Freiheit für Pferde beginnt dort, wo sich ein Mensch weigert, am Strick und damit am Halfter und am empfindlichen Kopf zu ziehen und stattdessen sich selbst in die Pflicht nimmt, mit dem Pferd zu sprechen und in Kontakt zu kommen, statt den eigenen Körper einzusetzen.
Freiheit beginnt dort, wo man nie, nie, NIE am Gebiss Druck ausübt und nie, nie, NIE am Gebiss führt!
Freiheit beginnt dort, wo man sich Gedanken macht über die Haltung und dem Pferd so viel Freiheit wie möglich gibt.
Freiheit beginnt, wenn die Gerte und die Peitsche NIEMALS gegen das Pferd eingesetzt werden, auch kein kleiner Klaps!
Freiheit beginnt dort, wo vor jeder Aktion mit dem Pferd gefragt wird: „Möchtest du mit mir was machen? Möchtest du mit kommen? Möchtest du geputzt werden? Möchtest du geritten werden?“ und wo jede Antwort akzeptiert wird!
Freiheit beginnt dort, wo der Mensch sich selbst zurück nimmt und stattdessen dem Pferd Raum gibt. Ehrlichen, offenen, freien Raum. Wo das Pferd sich ausdrücken kann und darf und soll.
Und ein solches Pferd kann am Halfter mit einem Strick im Gelände geführt werden und man wird sehen: Es ist ein freies Pferd. Im Gegensatz zu seinen Artgenossen, die äußerlich frei sind und dennoch so unfrei, wie man es sich nur vorstellen kann. Nur weil jemand beschlossen hat, dass er auch die Seele des Pferdes besitzen will…
Innere Freiheit schließt äußere nicht aus. Aber die äußere Freiheit ist leider kein Kriterium für ein innerlich freies Pferd. Nur unser menschliches Herz, das für unser Pferd schlägt und das spürt, was wirklich los ist, kann unser Pferd befreien. Denn als aller erstes müssen wir Menschen spüren, dass es nicht in Ordnung ist, ein Lebewesen so zu behandeln. Und dann können wir unsere Freiheit mit unserem Pferd teilen und beginnen, ihm wieder die Freiheit über sich selbst zu geben, über seinen Körper, seinen Geist und seine Seele zu entscheiden.
Die Pferde danken es übrigens sehr oft. Und das Gefühl, mit einem Pferd wirklich frei zusammen zu sein, weil das Pferd mich mag und es selbst will und sich so entschieden hat, ist unbezahlbar. Für nichts, was ich jemals vorher erlebt habe mit Pferden, würde ich das wieder aufgeben wollen.
2 Comments
Oraja
11. September 2017Großartiger Artikel. Vielen Dank liebe Marina!
Marina
12. September 2017Ich danke dir! Sehr gerne!
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